digitales Wohlsein - Das Internet der Zukunft mit dem Menschen im Zentrum
digitales Wohlsein
Digitale Zukunft mit dem Menschen im Zentrum
Beim Projekt «digitales Wohlsein» geht es darum, Menschen jeden Alters dabei zu helfen, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Gleichzeitig entwickeln wir Ideen, wie ein besseres Internet aussehen könnte – eines, das wirklich die Menschen, die Natur und unsere Umwelt in den Mittelpunkt stellt.
Warum braucht es überhaupt Hilfe?
Die heutigen digitalen Systeme haben einen Konstruktionsfehler, den man nicht gleich erkennen kann, dessen schädliche Auswirkungen aber immer deutlicher werden. Zwar haben kluge Entwickler*innen und ihre Geldgeberinnen ein beeindruckendes Spektrum digitaler Technologien geschaffen, die uns Freude bereiten und ganz neue Horizonte für unser Handeln und unsere Gestaltungsmöglichkeiten ermöglicht haben. Aber die Versprechen von einem guten, einem besseren Leben erfüllen sich heute nicht mehr. Unter der schönen Oberfläche entwickeln sich eine Vielzahl problematischer Dinge, die unser Leben zum Schlechten beeinflussen. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass nicht auch die neuen KI-Systeme, so beeindruckend sie auch sind, die gleichen Grundprobleme haben.
Was läuft also schief?
Am Anfang einer App oder Webseite steht meist der Wunsch, etwas Gutes für den Menschen und seine Umwelt zu entwickeln. Aber dann passiert etwas Merkwürdiges: Statt den Menschen im Blick zu behalten, konzentrieren wir uns ohne es zu bemerken bald nur noch auf die Technik und ihre Funktionen. Der Mensch rutscht an den Rand. Ein Beispiel: Die Würde des Menschen und die daraus abgeleitete Freiheit zur Selbstbestimmung sind zentrale Grundwerte in unserer Gesellschaft. Bei der Planung von digitalen Systemen wird die Abwägung, welchen Interessen wir in welchem Masse gerecht werden möchten, von Beginn an zu einer einfach, technisch zu behandelnden Frage umgewandelt: Wer das System wie nutzen darf. Und fast schon selbstverständlich haben die Nutzer dabei am wenigsten zu sagen.
UX Design: Kleine Schäden verhindern, grosse ignorieren
Entwicklerinnen sehen Menschen dann oft unbeabsichtigt nur noch als eine Liste von technischen Anforderungen. Werden mögliche, ethische und moralische Konflikte in einem solchen Katalog gar nicht beschrieben, können aufkommende Bedenken umso leichter beiseite geschoben werden. UX Designerinnen, die Gestalter der Benutzeroberflächen, die eigentlich für das gute Internet, aber mindestens für positive Benutzererlebnisse sorgen sollen, können am Ende nur noch Verbesserungen vornehmen, die kleine Schäden verhindern und die grossen ignorieren.
Was können wir tun?
Viele Menschen verlassen heute Plattformen wie Facebook oder Instagram. Sie erkennen, dass diese Systeme von Grund auf falsch gebaut wurden und sich nicht reparieren lassen. Die Lösung wäre, neue Apps und Webseiten nach unseren eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Das mag schwierig erscheinen, wenn man an den endlosen Strom spannender Inhalte auf TikTok denkt, der nur durch die Möglichkeiten global agierender Monopolisten möglich erscheint. Aber wir wollen auch aufhören, unsere echten Probleme hinter glänzenden Oberflächen zu verstecken.
Wenn wir jetzt also anfangen, digitale Technik neu zu denken – diesmal mit dem Menschen im Mittelpunkt – dann sollte das vor allem Freude machen, uns und den anderen, so wie wir das bei Facebook und Co zu Beginn erleben konnten. Nur sollte dieser Spass nicht durch den Bau von gigantischen Ablenkungsmaschinen erreicht werden müssen, von denen letztlich wie heute nur einzelne Menschen in Organisationen profitieren.
Zukünftig: Kooperation zwischen Betreiberin, Entwicklerin, Benutzerin und allen anderen
Vielmehr müsste dieser durch einen Kooperations-Vertrag zwischen Betreiber- und Entwicklerinnen des Systems, der Benutzerin und allen anderen direkt oder indirekt Beteiligten sichergestellt werden. Mit dem überprüfbarem Ergebnis, dass Leben vieler zu verbessern und den unbeabsichtigten Schäden Rechnung zu tragen.
Zunächst: Schutzräume, Rettungsinseln und Notfallknöpfe
Alle einflussreichen, politischen und privaten Anstrengungen zielen momentan allein auf die Vermeidung von Schaden ab, obwohl bekannt sein sollte, dass schädliche Folgen neuer Technologien in der Regel erst Jahre oder Jahrzehnte später erkannt werden können. Nämlich dann, wenn diese in der breiten Gesellschaft verankert sind. Da in den Startups, Initiativen und Gremien die Grundfragen nach den Werten nicht behandelt werden, die ein ein gutes Leben mit digitalen Systemen schaffen könnten, benötigen Benutzerinnen derzeit vor allem Schutz und Abwehrmittel. Schutz und Abwehr vor algorithmischen und KI-Systemen, die sich als freundliche Helfer ausgeben, über deren Ausgestaltung aber weiterhin Einzelpersonen bestimmen, die ihre Intentionen der Bereicherung, des Machtgewinns und der eigenen, unterentwickelten Moralvorstellungen als Grundlage für die Schritt-für-Schritt Entscheidungen der Systeme implementieren.
Auf dem Weg zu einer besseren Technologie benötigen wir daher zunächst Schutzräume, Rettungsinseln und Notfallknöpfe, um mit den akuten Gefahren der derzeitigen Umwälzungen verantwortlich umzugehen. Solche, die uns vor den mit und in künstlich intelligenten Systemen handelnden Menschen schützen, die ihre schlechten Absichten hinter den freundlichen, virtuellen Assistentinnen verbergen.
Nachdenken über wohltuende, digitale Inseln, Orte und Welten
Zugleich sollten wir das Nachdenken über wohltuende, digitale Inseln, Orte und Welten beginnen, indem wir unser Denken über uns, unsere Liebsten und die Welt ändern. Wenn wir dann bei uns erste positive Anzeichen einer Verbesserung erkennen und den Wunsch spüren, uns zusammenzuschliessen, dann sollten wir beginnen, unsere gemeinschaftlich gewonnen Vorstellungen zu notieren und diese schliesslich in kreativen, heilsamen Interaktionen zwischen Mensch und Technologie realisieren.
«digitales Wohlsein» als gemeinnütziges Projekt
Aus diesem Grund nutze ich einen grossen Teil meiner unbezahlten Zeit für den Aufbau des Projekts «digitales Wohlsein». Ich hoffe, dass die fehlende, übliche, aggressive, kommerzielle Ausrichtung mich und meine Familie nicht in den finanziellen Ruin treiben. Die Arbeit daran erscheint mir aber gerade unvermeidbar, um überhaupt noch ein erfüllendes, gutes Leben haben zu können. Wir bedürfen keiner oberflächlichen Freundlichkeit, sondern vielmehr ein Miteinander, das Reibungen und Konflikten nicht aus dem Weg geht. Eine selbstbestimmte Gestaltung des Zusammenlebens, freundschaftliches, liebevolles Auseinandersetzen mit den mir Nahestehenden und allen anderen Lebewesen und Dingen dieser Welt.
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Olaf Egner
Wissensarbeit und Gestaltung für das Internet
Mein beruflicher Werdegang als Experte für digitale Nutzerführung und Benutzererfahrung begann in einer Zeit, als diese Fachgebiete noch nicht fest in Unternehmen verankert waren. Dadurch entwickelte ich meine Fähigkeiten vor allem durch die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen der Produktentwicklung: vom Produktmanagement über Marketing und Rechtsabteilung bis hin zum Kundenservice, Vertrieb, Entwicklung und der Geschäftsführung.
Mit meiner Arbeit habe ich dazu beigetragen, in vielfältigen Organisationen Wert zu schaffen – sei es durch die Steigerung der Benutzerzufriedenheit, die Verbesserung der Usability oder die Unterstützung von Geschäftszielen.

Ich freue mich auf Ihre Anfrage.
Olaf Egner
olaf@egner.ch
+41 71 801 94 14
@
Seremik Gmbh
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9000 St. Gallen
Die Invasion der Plattformen: Wie Big Tech Familien auseinandertreibt.
Die Invasion der Plattformen: Wie Big Tech Familien auseinandertreibt
Residents of Rome, Paris and London react to Australia’s social media ban for under-16s – video — © The Guardian
„Sich wehren müssen“ gehört zum Leben unserer Kinder und es wird immer anspruchsvoller. Viele Eltern führen einen Stellvertreterkrieg gegen ihre Kinder, einen Kampf mit den Plattformen der Nutzungsökonomie, TikTok, Snapchat, Instagram.
Spätestens mit dem ersten Smartphone beginnt ihre existenzielle Verteidigung: Gegen Verbote und Einschränkungen und gegen die Verführungen und Manipulationen durch Plattformen und den durch sie herangezüchteten Raubtieren. Sie müssen sich ständig wehren, verschanzen oder desertieren und finden dies inzwischen: Normal.
Ich möchte, dass wir Eltern ein solches «Normal» nicht akzeptieren. Zum Beispiel weil TikTok, Instagram oder Snapchat relevant für unsere Kinder wären, weil «Alle» sie nutzen.
Das ist möglich, denn unsere Kinder sind viel vorsichtiger und skeptischer als wir das oft denken – auch sie möchten etwas besseres. Es geht ihnen um wichtige, vertrauliche Gespräche mit ihren Freundinnen, um Spass und Rebellion. Vor allem um Dinge, die wir nicht wissen sollen, an denen wir Eltern nicht teilhaben dürfen. Sie bestehen auf ihre Privatsphäre, aber auch Teilhabe und die Entwicklung einer Identität, auch im und mit dem Internet.
Niemand wünscht sich, dass deshalb in unseren Familien Krieg geführt wird. Die Big Tech Manipulierer aus den USA und China aber haben diesen zu uns nach Hause gebracht. Wir sollten beginnen, sie zu vertreiben.
Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen, manch andere hier können das scheinbar. Ich weiss daher nicht ob Verbote wie in Australien helfen, ausreichend Druck auf Big Tech auszüben, ob sie helfen bessere Plattformen zu entwickeln oder ob sie den Big Tech in die Karten spielen und einen unbeabsichtigten Schaden anrichten, wie andere spekulieren.
Politische Entscheidungen können helfen, Verantwortlichkeiten besser und klarer zu verteilen. Meta, Snapchat, Alphabet und Snapchat haben dagegen klargestellt, dass sie Business as usual machen werden. Also weiter mit kitschigen Heucheleien arbeiten, wie sehr sie doch für uns Nutzer da sein wollen, gleichzeitig vor den Gefahren der Regulation warnen, zuletzt mit Abschaltung pro Land drohen.
The Guardian
NZZ
Politico
Frankreich verschärft Mindestalter von 15 Jahren für die Nutzung sozialer Medien
Parliament of Australia
Online Safety Amendment (Social Media Minimum Age) Bill 2024
Kein Spotify Kids in der Schweiz: Was Eltern wissen sollten.
Kein Spotify Kids in der Schweiz: Was Eltern wissen sollten.
Spotify for Kids wird für die Schweiz nicht angeboten, weshalb wir unsere Kinder vielleicht in unsichere Gefilde geraten lassen. Ich habe geprüft, ob wir das «normale» Spotify für Kinder konfigurieren können.

Das Wichtigste zusammengefasst
- Spotify bietet mir tolle deutsche und schwiizerdütsche Hörspiele und Songs
- Spotify bietet ein Premium Family Abo für bis zu 6 Mitglieder an
- Die Kids App für jüngere Kinder gibt es in der Schweiz aber nicht
- Das Family Abo ist gemäss ihren Nutzungsbedingungen erst ab 13 Jahren zugelassen und das hat Gründe, siehe Text. Ein Mitglied im Family Abo muss sogar mindestens 16 Jahre alt sein
- Die Kennzeichnung von Inhalten als «unangemessen» (explicit) wird den Künstlern überlassen, dem Spotify Filter sollte gemäss ihren Nutzungsbedingungen nicht getraut werden
- Die Funktion, von der wir erwarten würden, dass sie unangemessene Inhalte ausblendet, tut dies nicht, sondern verhindert nur das Abspielen.
- Album Cover mit sexuellen und obszönen Inhalten werden immer angezeigt
- Einziger echter Schutz ist eine auf das Gerät heruntergeladene Auswahl an Hörspielen und Songs, die von Kindern bei ausgeschalteter Internetverbindung ausgewählt und gehört werden
Warum überhaupt Spotify?
Wir haben unserer grossen Tochter, als sie noch sehr klein war, einmal einen Hörbert geschenkt, aus Holz mit Visaton-Lautsprecher und unverwüstlich. Das Problem: Hörspiele kaufen und runter- und raufladen, Playlists erstellen und Speicherkarte wechseln kostet Geld für die Songs und Hörspiele, (die es dann oft auch nur auf CD gibt), und ist für faule Menschen wie mich anstrengend. Die ebenfalls deutschen Tonies haben sich mehr Gedanken über die Bequemlichkeit gemacht und weniger über ethische Fragen der Herstellung und des Konsums – einfach kaufen, kaufen, kaufen – alles andere machen die Kids. Tigerbox und andere legen da manchmal noch einen drauf, indem ich auch für das Hochladen eigener Inhalte zahlen muss. Dann gibt es auch immer noch CD’s und einfache MP3 Player, die unbestreitbar alle vernünftiger und sicherer für Kinder sind, da sie einen bewussten Konsum fördern, anstatt das Verhalten durch Dauerschleifen und Empfehlungsalgorithmen zu beeinflussen.
Spotify Kids: Nur für 4 europäische Länder verfügbar
Da ich Spotify (bis zu diesem Artikel) wirklich gemocht habe, bequem bin und gerne einfache und mir bekannte Lösungen bevorzuge, dachte ich, Spotify hat eine Chance verdient. Sie haben ihren Hauptsitz ja immerhin in Schweden und nicht in der Monetarisierungswüste Kaliforniens. Zudem zahle ich seit Jahren einen Spotify Family Account, wo zwar alle unsere Tanten mithören, unsere Kinder aber bisher nicht, jedenfalls nicht mit eigenem Account.
Das Problem: Es gibt die Spotify Kids App in Deutschland, in der Schweiz aber nicht. Warum das so ist, ist unbekannt, das Management schweigt dazu beharrlich und verweist auf Jahre alte Medienmitteilungen. Bös gesagt, ist es für Spotify finanziell natürlich lohnenswert, uns den Family Account zu verkaufen, nicht aber auch die Spotify Kids App für die Schweiz einzuführen. Foren sind jedenfalls voll von Beschwerden Schweizer Eltern, die das Family Abo abgeschlossen haben, im Glauben, darin wäre die Kids App enthalten. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Da es Spotify selbst gesetztes Ziel war, für jedes Land ein eigens kuratiertes Angebot zu erstellen, ist es dem Management vielleicht zu teuer geworden oder für den Shareholder Value zu wenig wirksam. Die miserablen Bewertungen der Kids App um 2.7 von 5 Sternen in den App Stores weisen darauf hin, dass sich das Engagement auch hier stark in Grenzen gehalten haben muss. Hörspiele mit vielen Folgen finden Kinder immer noch genauso unsortiert in der Suche und fragt man Eltern von Kindern, die älter als 12 Jahre sind, bezeichnen sie die dort vorhandenen Inhalte als «Baby».
Bibi Blocksberg aus Empfehlungen raushalten
Dennoch warten viele Väter wie ich darauf seit Jahren und lassen uns derweil die dem Algorithmus mühsam antrainierten Empfehlungen versauen, denn Problem 2: Unsere Töchter haben noch keine eigenen schlauen Geräte mit Internetanschluss. Aber halt, als ich dann endlich mal recherchiert habe, siehe da, es gibt ein Feature namens Private Session
- Profil (Bild oder farbiger Kreis mit Buchstaben) > Einstellungen & Datenschutz > Datenschutz und Social > Private Session aktivieren
Private Session ist eigentlich für ganz andere Dinge gedacht war, nämlich dazu, meine Höraktivität vorübergehend vor meinen Follower*innen zu verbergen. Funktioniert aber auch gut, um das Trainieren des Algorithmus abzuschalten, solange unsere Töchter Benjamin Blümchen auf unserem Gerät hören. Noch besser: Er stellt sich nach 6 h automatisch wieder ab, falls man es vergessen sollte (In Bezug auf den gedachten Nutzen des Features eine sehr fragwürdige Funktionalität).
Family Account für «Kinder» einrichten
Irgendwann letztens hat meine Frau dann ihr Tablet quasi aufgegeben, das nun stark lädiert von unserer Grossen Hörspiele hörend durch die Wohnung getragen wird. Da, so dachte ich, schlug die Stunde des Family Accounts, der bisher nur zum Geldsparen in der Familie genutzt wurde.
Unangemessene Inhalte nicht erlauben
Meine Tochter kann schon ein wenig schreiben und in Suchfelder tippen, was, wie wir wissen, früher oder später zu unerwünschten Ergebnissen führt. Und tatsächlich gibt es eine Einstellung, die helfen soll, unangemessene Inhalte nicht anzuzeigen:
- Profil (Bild oder farbiger Kreis mit Buchstaben) > Einstellungen & Datenschutz > Inhaltseinstellungen > Unangemessene Inhalte erlauben deaktivieren
Um zu verhindern, dass schlaue Kinder diese einfach wieder anstellen muss dies aber im Family Account für das Profil ausgeschaltet werden, was bedeutet, dass ein eigenes Profil für Kinder angelegt werden muss.
- Profil > Konto > Premium Family > Name des Accounts (Mitglied des Abos) > Unangemessene Inhalte erlauben deaktivieren
Was hält Spotify für «unangemessene Inhalte»?
Ich konnte bei meinen Recherchen bisher keine Seite finden, die unangemessene Inhalte definiert. Und tatsächlich gibt es auch in der Schweiz bis heute keine gesetzliche Regelung zur Alterskennzeichnung, Zugangs- und Abgabekontrolle. Zwar ist es in vielen Kantonen wenigstens Pflicht, Kinofilme zu kennzeichnen, kontrolliert wird dies aber nur in fünf von 26 (23) Kantonen. Erst ab dem 1. Januar 2025 tritt ein Bundesgesetz in Kraft, das Filme und Videospiele reguliert. Musikstücke und Hörspiele bleiben unreguliert, eine Kennzeichnung ist freiwillig.
Family Account für «Kinder» ab 16 Jahren
Gemäss Nutzungsbedingungen besteht eine richtige Spotify Familie dennoch nur aus Mitgliedern, die mindestens 16 Jahre alt sind — für alle anderen gibt es ja die Kids App. Nicht. Ich hab dann eine E-Mail Adresse eingerichtet, bei der ich den Namen der Kinder aber mein eigenes Alter angegeben habe und diese dann als Login verwendet, was kein Problem war und auch nicht weiter überprüft wird (seufz).
«Unangemessene Inhalte erlauben» abzuschalten bewirkt nicht dass, was wir erwarten
Als ich dachte nun wird alles gut, wurde es das leider nicht. Die Umsetzung des Features «Unangemessene Inhalte erlauben» ist dermassen mangelhaft, dass sie Fragen aufwirft, wer im Management von Spotify dies durchgewunken oder gar gezielt beauftragt hat. In Reihenfolge der Schwere des Versagens, von Leicht bis Horror:
- Die verdrehte Art und Weise der Gestaltung des Schalters – eine Erlaubnis abschalten, anstatt die Inhalte ausschalten, ist nicht hilfreich. Hat aber seine Gründe, siehe Punkte 2 – 5.
- Künstler dürfen gemäss AGB die Einschätzung für Inhalte, die sie hochladen, selbst vornehmen. Nehmen sie diese nicht vor, soll ein Filter beim Hochladen erkennen, ob es sich um unangemessene handelt. Diesem sollte nicht vertraut werden – schreibt Spotify
- Ein Meldefeature für unangemessene Inhalte durch Benutzer:innen gab es, wurde aber wieder abgeschafft, heute wird auf ein allgemeines Chatformular hingewiesen.
- Die unangemessenen Inhalte werden nach Deaktivieren der Funktion nicht etwa ausgeblendet, sondern nur die Titel nicht abspielbar gemacht, sind also weiterhin lesbar.
- Die Funktion «Nicht abspielbare Songs ausblenden» ändert dies nicht.
- Die zugehörigen Album Cover Bildchen werden dabei nicht einmal ausgegraut, sondern leuchten unseren Kindern weiter entgegen.
Für Interessierte empfehle ich eine Spotify-Suche mit dem Auberginen Emoji bei ausgeschaltetem Feature «Unangemessene Inhalte erlauben».
Zur Ergänzung: Meine jüngere Tochter tippt bereits gerne Emoji-SMS, die sie an mich sendet, während ich Artikel wie diesen schreibe. Bis ich mich hier damit beschäftigt habe, wusste ich gar nicht, das Spotify auch eine Hardcore Porno-Sparte hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es manchen von Euch auch so geht.
Für ihr Clips-Feature erschien dem Management diese laxe Policy dann wohl zu heikel, so dass sie dort bestimmte explizite Inhalte nicht sehen möchten, die sie in den Album Covers aber zulässt:
- Obszönität
- Bilder von oder Anspielungen auf Gewalt, physischen oder psychischen Missbrauch
- Bilder von oder Anspielungen auf Drogenkonsum
- Bilder von oder Anspielungen auf sexuelles Verhalten
- Bilder von oder Anspielungen auf sensible Themen
Klarer wird dann auch, warum Spotify eine Altersuntergrenze von 16 Jahren bedingt: Um nicht haftbar gemacht zu werden. Hätte ich das End User Agreement aufmerksam gelesen, wäre ich nämlich auf folgenden Absatz gestossen:
«Während der Nutzung des Spotify Dienstes haben Sie möglicherweise Zugriff auf Funktionen zum Filtern von expliziten Inhalten, allerdings können trotz Nutzung solcher Filterfunktionen explizite Inhalte dargeboten werden. Sie sollten nicht darauf vertrauen, dass solche Funktionen sämtliche expliziten Inhalte herausfiltern. Dieser Abschnitt findet im gesetzlich maximal zulässigen Rahmen Anwendung.»
Tatsächlich schreiben Sie in ihren Nutzungsbedingen sogar: «Um den Spotify Dienst nutzen und auf Inhalte zugreifen zu können, müssen Sie (1) mindestens 13 Jahre alt sein …». Ich verstosse mit meinem obigen Hack also gegen diese. Ganz klar gehöre ich zu den 60%, die Nutzungsbedingungen selten oder nie lesen.
Weitere, mehr nützliche, aber einfach abschaltbare Funktionen
Nur der Vollständigkeit halber: Andere mehr oder weniger nützliche Funktionen können unsere Kinder dann jederzeit selbst wieder an- oder abstellen, so wie sie eines Tages die «Einstellungen» in der App gefunden haben.
- Einstellungen & Datenschutz > Wiedergabe > Canvas deaktivieren
Diese stellt die unsäglichen Kurzfilmchen «Clips» ab, welche uns und unsere Kinder dazu verführen sollen, auch noch die ganze Zeit des Hörens auf den Bildschirm zu starren.
- Einstellungen & Datenschutz > Video-Podcasts > Nur Audio herunterladen aktivieren
- Einstellungen & Datenschutz > Video-Podcasts > Nur Audio streamen aktivieren
Diese Funktionen sollen verhindern, dass ich zusätzlich zum Podcast Videos anschauen kann, das funktioniert aber nur im Offline-Modus, sprich mit heruntergeladenen Dateien.
- Einstellungen & Datenschutz > Wiedergabe > Offline aktivieren
Damit wird die Benutzeroberfläche aber nicht wirklich anders, es können einfach nur heruntergeladene Songs und Hörspiele abgespielt werden, alle anderen bleiben sichtbar aber inaktiv.
Einstellungen sind für alle Geräte unterschiedlich strukturiert
Anzumerken ist noch, dass die UX Designer von Spotify es nicht für wert hielten, die Struktur der Einstellungen über alle Geräte und Betriebssysteme konsistent zu halten, daher können die genannten Einstellungen zwischen Desktop, Mobile, iOS und Android jeweils abweichend zu finden sein.
Schlussfolgerung: Streaming abschalten oder kein Spotify
Um nun den ganzen Mist von oben zu verhindern, habe ich bisher wieder (nur) diesen Workaround gefunden, der auch von Kinderschutzseiten empfohlen wird: Kein Streaming oder gleich gar kein Spotify. Eher früher als später sollten wir unseren Kindern auch erklären, was Pornos sind und was nicht, denn wenn eines sicher ist, dann dass sie damit in Kontakt kommen werden.
Bis dahin kann ich mit meinen Kindern gemeinsam und regelmässig Songs, Hörspiele und Podcasts suchen, herunterladen und wieder löschen – wenn der Speicher des Geräts voll ist. Danach die Verbindung mit dem Internet (WLAN, Daten) trennen. Dann bringt die Suche keine Ergebnisse mehr, die letzten, personalisierten Vorschläge werden noch gezeigt, sind aber nicht abspielbar. Allerdings ist mir aufgefallen, dass sich Spotify ohne Internetverbindung seltsam verhält, zum Beispiel sind Lieder, obwohl heruntergeladen sind plötzlich doch nicht abspielbar. (Falls unsere Kinder bereits wissen, wie sie sich mit dem WLAN verbinden können, gibt es einige Möglichkeiten dies zu verhindern, dazu in einem späteren Artikel).
Dann, immerhin, kann ich auf wirklich sehr viele gute deutschsprachige Inhalte zugreifen, diese in der gleichen App suchen und speichern und muss nicht noch zusätzlich viel Geld ausgeben. Für mich zumindest weniger aufwändig, wobei ich nach all diesem neuen Wissen nicht mehr abstreiten kann, dass die Tonieboxen, Tigerboxen und Hörberts dieser Welt ihr Geld wert sind.
Vorschläge, Anregungen und Fragen
Falls Ihr weitere Vorschläge habt oder Fehler findet, würde ich mich freuen, wenn ihr mir diese zukommen lasst, damit ich diesen Artikel verbessern kann. Über weitere Fragen zu Online Themen und Anregungen für Artikel würde ich mich ebenfalls sehr freuen und beantworte diese gerne: olaf@egner.ch
Weitere Anleitungen für Geräte und Apps
Die hilfreichen und ausreichend aktuellen Tipps und Anleitungen habe ich unter Medien Kindersicher gefunden, eine wirklich hilfreiche Seite, gefördert von deutschen Medienanstalten, um etwas mehr Sicherheit im Dschungel der Konfigurationen zu erhalten. (Das Fürstentum Liechtenstein engagiert sich hier übrigens auch, während sich die Schweiz gewohnt vornehm zurückhält, aber gerne darauf verlinkt).